Verlassen Sie die eigene Bubble! Wer Neues lernen will, muss es auch wirklich mal machen, dieses „über den Tellerrand schauen“, von dem alle sprechen! Unsere Content Marketing Managerin Nadine hat´s ausprobiert und sich in ein digitales Event gesetzt, das eigentlich für Designer:innen konzipiert ist: den UX Day 2021. Wie erwartet, verschmolzen in den Sessions die Grenzen zwischen Content Marketing und UX Design, denn beide Disziplinen verfolgen das gleiche Ziel: die Probleme von Menschen zu lösen. – Nur mit welchen Methoden sie die Probleme lösen und wie sie über neue Ansätze nachdenken, ist unterschiedlich.
Contents
- UX Day Hightlight 1 – „Das neue System muss aber das Gleiche können wie das alte!“ – „NEIN“
- UX Day Hightlight 2 – Mit Empathie und Mitgefühl zu besserer User Experience?
- UX Day Hightlight 3 – Let the creative find the audience
- UX Day Hightlight 4 – The good, the okay and the ugly – Chancen im Design für nachhaltige Zukünfte
- UX Day Hightlight 5 – We live in a society not in an economy. Die Verantwortung von Designern in unserer Welt.
UX Day Hightlight 1 – „Das neue System muss aber das Gleiche können wie das alte!“ – „NEIN“
Speaker: Dr. Marcus Trapp, Frauenhofer IESE
Bei der Entwicklung neuer Systeme schränken sich die Verantwortlich schon häufig vor Projektstart mit folgender Aussage ein: „Das neue System muss aber das Gleiche können wie das alte!“ Dr. Marcus Trapp zeigte in seinem Vortrag, wie unsinnig diese Anforderung für Software-Projekte ist (, was sich 1:1 auf den Relaunch von Websites übertragen lässt). Als Beispiel führte er auf einer Folie eine analoge NIKON Kamera und eine NIKON Digitalkamera an – obwohl nur erstere wegen des analogen Films an das Querformat gebunden war, unterscheidet sich der Nachfolger nicht vom Design.
Wer sich am alten System orientiert, wird nichts wirklich Neues entwickeln und verschenkt Potenziale. Daher sollte in Kundenprojekten das WARUM bzw. das ZIEL immer im Vordergrund stehen und schriftlich ausformuliert werden. Man wird feststellen, dass das neue System NICHT das Gleiche können muss wie das Alte, weil sich Anforderungen mit der Zeit ändern.
Drei Learnings aus dem Vortrag:
- Bei der Konzeption von neuen Projekten gilt es, nicht nur zu schauen, was Nutzer:innen aktuell machen, sondern sich auch zu fragen: Was kann man besser machen?
- Es gibt drei Stufen, ein neues System zu entwickeln: Refactoring, Rearchitect, Renew. Vor Projektbeginn muss abgesteckt werden, welches der Ziele angestrebt wird.
- Für Sicherheit in der Umsetzung müssen neue Systeme neben dem neuen System gebaut werden. Hierfür ist viel Menpower und Wissen um beide Systeme nötig.
UX Day Hightlight 2 – Mit Empathie und Mitgefühl zu besserer User Experience?
Speaker: Ingo Waclawczyk, KPS digital GmbH
Chatbots sind ein Trend-Thema, das technisch bereits weit entwickelt ist, einzig die Art und Weise der sprachlichen Kommunikation mit den Nutzer:innen ist noch nicht hinreichend geklärt. Wie sprechen Chatbots mit den Nutzer:innen ? Kurz und knapp, empathisch oder eher mitfühlend? Ingo Waclawczyk stellte ein Experiment vor, bei dem UX Designer drei verschiedene Bots entwickelten und mit Probanden testeten.
Aufgabe: Die Probanden buchten innerhalb von 15 Minuten mit Unterstützung der Chatbots Räume. Im Anschluss fragte man sie, welchen Bot sie weiterempfehlen würden.
Diese Chatbot-Varianten gab es:
- ein technischer Chatbot mit funktionaler Sprache
- ein empathischer Chatbot als Assistent
- ein mitfühlender Chatbot mit entspannter Sprache
Drei Learnings aus dem Vortrag:
- Der Inhalt steht nur zum Teil über der Form: zwar wurde der technische Bot als effizient, kurz und knackig eingestuft, aber auch als unhöflich, unfreundlich und unsympathisch. Insgesamt würden (nur) 30 % der Teilnehmenden diesen Bot weiterempfehlen.
- Der Assistent führte die Probanden am schnellsten zum Ziel, trotz einer längeren Textmenge. Empathie kann also dazu führen, dass Prozesse schneller abgeschlossen werden.
- Mit Empathie und Mitgefühl kann (!) eine bessere User Experience erreicht werden. Der Erfolg ist abhängig vom Kontext.
UX Day Hightlight 3 – Let the creative find the audience
Marco Olbert, Kuehlhaus AG
In einem anschaulichen Vortrag zeigte Marco Olbert an einem Use Case, wie ein Burger Restaurant die besten Kampagnen für seine Kundschaft entwickeln kann. Ausgehend von 5 verschiedenen Personas (Vegetarier, Achtet auf Regionalität, Familienvater, Sportler, Mag keine Burger) werden Kampagnen entwickelt.
Für verschiedene Ansätzen schalten Werbetreibende nun Anzeigen in verschiedenen Formaten und auf verschiedenen Kanälen. Sie überwachen, welche Ansätze am besten funktionieren. Ausgehend davon, was die Audience tatsächlich anspricht, werden die einen Kampagnen aussortiert und die anderen Kampagnen noch vertieft. Die Kreation von Inhalten erfolgt also nicht mehr vor der Anzeigenschaltung, sondern wird als laufender Optimierungsprozess verstanden. Man fokussiert sich nicht auf Vegetarier oder jemanden, der keine Burger mag, sondern bleibt völlig frei. Am Ende streicht man sogar diese beiden Ansätze, weil Sportler und Familienväter wesentlich besser auf die Burger-Angebote reagieren.
Drei Learnings aus dem Vortrag:
- Bei der Kampagnenschaltung (zum Beispiel in Facebook) kann die Zielgruppe offengelassen werden. So bekommt der Algorithmus die Möglichkeit, selbst zu lernen und mit der Zeit selbstständig den richtigen Personen die Anzeigen auszuspielen.
- Die Konzeption von Kampagnen erfolgt im Idealfall nicht allein vorgelagert, sondern besser auch während der Laufzeit. Ausgehend vom jeweiligen Erfolg einzelner Ansätze. Die Konzeption wird damit zu einem agilen Prozess.
- Es lohnt sich, mit sehr verschiedenen Ansätzen zu starten und diejenigen Kampagnen zu streichen, die nicht funktionieren, und diejenigen zu vertiefen, die sehr gut von der Audience angenommen werden.
UX Day Hightlight 4 – The good, the okay and the ugly – Chancen im Design für nachhaltige Zukünfte
Kerstin Dyck und Stefanie Angele, User Interface Design GmbH
Was hat das mit mir zu tun? Mit dieser Frage stiegen Kerstin Dyck und Stefanie Angele in ihren inspirierenden Vortrag ein, in dem sie zeigten, wie Unternehmen überhaupt vorgehen können, wenn sie „nachhaltig“ agieren wollen. Verschiedene Handlungsfelder in Ökonomie, Ökologie und Soziales stehen zur Verfügung, aus denen wir auswählen können:
Drei Herausforderungen stehen unserer (wirklich) nachhaltigen Zukunft dabei allerdings im Weg:
- Menschen tendieren dazu, die Zukunft anhand der eigenen Erinnerung vorherzusagen.
- Menschen tendieren dazu, noch nie Erlebtes als NICHT EXISTENT abzutun.
- Die Technologie entwickelt sich so schnell, dass wir nicht mehr hinterherkommen, ihre Auswirkungen auf Gesellschaft und Individuum anzupassen.
Die beiden Speakerinnen stellten effektive Taktiken vor, wie wir mit „Speculative Design“ diese Herausforderungen überwinden können, um unseren Vorstellungshorizont zu erweitern.
Drei Learnings aus dem Vortrag:
- Bevor neue Themen angegangen werden, sind Vorüberlegungen zur Nachhaltigkeit essentiell: wird dieses Projekt unserer Gesellschaft (uns/unseren Kunden/unseren Partnern/etc.) guttun? Ist es wirklich das, was die Gesellschaft braucht?
- Um Neues zu erdenken, hilft es „Trigger zu setzen“ wie beispielsweise den Wegfall des Autos. Ausgehend von dieser Annahme können Designer eine völlig neue Welt entwickeln, in der sie eben nicht auf bestehende Strukturen zurückgreifen. Die Strategie lässt sich im Kleinen auch für Websites denken: Wegfall der Maus, Wegfall des Menüs, Wegfall der Möglichkeit zu Scrollen, Wegfall von Texten – auf diese Weise schaffen wir völlig neue Prototypen.
- Für eine nachhaltige Entwicklung digitaler Produkte orientiert man sich an 6 Rs: Repair, Reuse, Research, Rethink, Reflect, Reduce. Sie geben Orientierung, um Handlungsfelder zu identifizieren und das Bewusstsein in Richtung Nachhaltigkeit zu lenken.
UX Day Hightlight 5 – We live in a society not in an economy. Die Verantwortung von Designern in unserer Welt.
Jan Korsanke im exklusiven Brennstoff Interview
Dieses Interview mit Jan Korsanke warf die Frage auf: Wie sehr steht das gesellschaftliche Wohl bei Projekten im Vordergrund? Und: Wie sehr SOLLTE es im Vordergrund stehen? Als negativer Case führte er „Gorillas“ mit ihrem Werbeversprechen auf, das inzwischen wahrscheinlich jeder kennt: „Wir liefern in 10 Minuten.“ Das Marketing ist gut. Nur: Wer hat danach gefragt? Wer profitiert davon, in 10 Minuten beliefet zu werden? Ein Blick in die Bewertungen der Kund:innen spiegle wider, dass die Kundschaft Gorillas eher negativ bewertet. Auch in Kununu lese man viele schlechte Bewertungen, hier von den Mitarbeitenden selbst.
Wir sehen an diesem Case: die Gorillas mit ihrem Versprechen „Wir liefern in 10 Minuten“ sind ein Hype, der getreu dem Motto „Alle dachten, es ging nicht, bis jemand kam, der es tat“ agiert und damit die Aufmerksamkeit gewinnt. Doch so revolutionär dieses Versprechen klingen mag, so schlecht funktioniert es in der Praxis. Sowohl Mitarbeitende als auch Kundschaft sind unzufrieden – das gesellschaftliche Wohl steht nicht im Vordergrund.
Drei Learnings aus dem Interview:
- Vor einem Projekt sollten die Beteiligten die Perspektiven aller Akteure einnehmen und sich fragen, wer welchen Nutzen daraus ziehen wird.
- Es ist sinnvoll, das gesellschaftliche Wohl stets höher als das wirtschaftliche Wachstum zu priorisieren. Ansonsten geht der Businessplan auf lange Sicht nicht auf.
- Werbeversprechen werden für Kund:innen (und Mitarbeitende) gemacht. „Konkurrenz-Gebashe ist ignorantes Verhalten an der Kundenschnittstelle“.