Top-Level-Domains wie .de, .org und .gov sollen dem Nutzer Orientierung bieten. Nachdem einige Länderkennungen letztlich zum Marketinginstrument wurden, launcht die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) nun eine Fülle neuer Endungen. GeoTLDs wie .berlin und Themenendungen wie .clothing sollen den TLDs zukünftig wieder mehr Bedeutung geben. Wird die neue Vielfalt die Markenbildung erleichtern oder wird sie eher zu Verunsicherung unter den Nutzern führen?

ccTLDs: Von der Länderkennung zum Marketinginstrument

Top Level Domains (TLDs) wurden ursprünglich geschaffen, um jeder Domain eine bestimmte Gruppe zuordnen zu können – seien es Unternehmen (.com), Länder (beispielsweise .de für Deutschland und co.uk für Großbritannien) oder Non-Profit-Organisationen (.org). Diese grundlegende Funktion ist den Endungen aber weitgehend abhanden gekommen, da fast alle Domainnamen de facto für jeden frei zugänglich sind.

Auch Länder-TLDs (ccTLDs) werden gerne zweckentfremdet: das Kürzel .tv steht offiziell für die Länder-TLD des Inselstaates Tuvalu, wird aber häufig mit TV beziehungsweise Television assoziiert und entsprechend verwendet. Gleiches gilt für die Endungen .co (Assoziationen mit „Company“, „Commerce“, „Community“ –  eigentlich die ccTLD für Kolumbien) und .fm (wer denkt bei dieser Länder-TLD auch an die Föderierten Staaten von Mikronesien?).

.berlin, .hamburg, .singles  – neue TLDs braucht das Land!

Neben neu geschaffenen Abkürzungen wie .bike, .singles, .company, .clothing und .photo hat im Netz und in der Presse in jüngster Zeit vor allem die Stadt-Domain (GeoTLD) .berlin für Aufsehen gesorgt. Damit konnte Berlin als erste Stadt weltweit eine Stadt-Domain ihr Eigen nennen, mit Paris und New York folgten vor wenigen Tagen zwei weitere Metropolen. Viele weitere Städte und Regionen wollen noch in diesem Jahr dem illustren Kreis der GeoTLDs beitreten, in Deutschland unter anderem .koeln .hamburg, .ruhr und .bayern.

Indes scheint die neue Endung .berlin bei vielen Unternehmen und Webseitenbetreibern durchaus Anklang zu finden: Laut www.dotberlin.de wurden Anfang April bereits die 44.444 Domains mit der Endung registriert. Eine durchaus beachtliche Zahl, schließlich ist die Endung erst am 18. März offiziell gestartet und kann nur an Personen vergeben werden, die eine Adresse in Berlin haben (z.B. der Domain-Inhaber, Domain-Registrar oder der Domain-Ansprechpartner).

Top-Level-Domains 2.0: Revolution oder Strohfeuer?

Das Beispiel von .berlin spiegelt zwar das Interesse und die Aufgeschlossenheit gegenüber den neuen Endungen wieder, kann aber nicht als Hinweis darauf gewertet werden, dass sich die neuen TLDs auch langfristig im Internet durchsetzen. Sicherlich sind mit den neuen Endungen für Webseitenbetreiber und Unternehmen eine Vielzahl Domainnamen realisierbar, an die mit den beliebtesten und am meisten verbreitetsten TLDs – .de und .com – nicht zu denken gewesen wäre. Die Kernfrage ist aber, ob die neuen TLDs von den Usern angenommen werden.

Als Rohrkrepierer sei die Endung .eu genannt. Obwohl die seit 2005 erhältliche TLD einprägsam, kurz und weit gefasst ist, hat sie sich bisher nicht in der Wahrnehmung der User und bei den Webseitenbetreibern durchsetzen können. Oftmals fristet sie ihr Dasein schlichtweg als Weiterleitungsseite zu den Haupt-Domains der jeweiligen Unternehmen.

Für wen lohnt sich eine neue TLD?

Ob sich die neuen Endungen für Unternehmen lohnen oder gar von elementarer Bedeutung sind, hängt stark von deren Größe, geografischer Lage und wirtschaftlichem Schwerpunkt ab. Als sinnvoll erscheint dies für Ladengeschäfte, den Bereich Gastronomie sowie Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe, die vorrangig in einer bestimmten Region tätig sind. Für den Nutzer verbindet sich damit die thematische mit der geografischen Suche. Im Rahmen der Außendarstellung kann der lokale Bezug sogleich ein leicht merkbares Branding bewirken.

Viele „klangvolle“ Keyword-Domains, die einen klaren regionalen Bezug suggerieren, sind jedoch schon längst vergeben oder zumindest reserviert:

Bei den anderen neuen TLDs bleibt abzuwarten, ob sie im Netz auf Gegenliebe stoßen, ignoriert werden oder im schlimmsten Fall sogar den User verunsichern. Eines sollte jedoch auch nicht außer Acht gelassen werden: Die Reservierung einer eigenen Domain mit neuen TLDs ist auch ein wirkungsvolles Mittel zum Schutz des eigenen Brands oder Namens – Stichwort Cybersquatting.

Tipp: Eine komplette Übersicht über die neuen TLDs sowie deren voraussichtliches Startdatum gibt es auf der offiziellen Seite der ICANN.

Praxis-Check: Welche TLDs werden sich durchsetzen?

Angenommen ein User will in Berlin im Hilton-Hotel ein Zimmer buchen: Welche der folgenden Domain-Namen wird sich wohl auf lange Sicht am ehesten durchsetzen? Welche bietet die beste Orientierung und ist damit benutzerfreundlichsten?

www.hilton.de/berlin

Für deutsche User ein gewohnter und vertrauenserweckender Anblick. Jedoch ist der Hostname der Webseite recht allgemein und unspezifisch. Erst die Unterkategorie /berlin führt den Benutzer zum gewünschten Ziel. Trotzdem ist anzunehmen, dass die TLD .de auf lange Sicht die erste Wahl in Puncto Domain-Namen bleiben wird.

www.hilton.berlin

Zielführend, einprägsam und aussagekräftig: Objektiv gesehen also die benutzerfreundlichste Variante, wenn sich der User schon für eine Übernachtung in einem Hilton-Hotel entschieden hat. Solange aber nicht jede Stadt oder Region, in der es ein Hotel der Hilton-Gruppe gibt, eine eigene GeoTLD besitzt, ist kein einheitlicher Online-Auftritt des Unternehmens möglich.

www.hilton.hotel

TLDs wie .hotel stellen eine gute Möglichkeit dar, einzelne Geschäftsbereiche  genauer zu beschreiben und sich von Unternehmen mit ähnlich klingendem Namen abzugrenzen. Jedoch ist im konkreten Beispiel davon auszugehen, dass das Branding „Hilton“ in der allgemeinen Wahrnehmung sehr stark ist und längst ausschließlich mit Hotels in Verbindung gebracht wird. Sinnvoll wäre die Endung zum Beispiel, wenn das Unternehmen neben Hotels noch in anderen Branchen agieren würde. In diesem Fall ist die TLD also mehr oder weniger überflüssig.

www.hilton.hotel/berlin

Die Domain ist spezifischer als bei dem vorangegangenen Beispiel, da es für den User alle relevanten Informationen enthält. Die Adresse könnte aber für konservative Benutzer zu lang sein und/oder automatisch generiert wirken und dadurch an Vertrauen verlieren.

www.hilton.holiday

Diese TLD hat im gewählten Szenario zwei wesentliche Nachteile. Einerseits ist sie in Englisch, weshalb Verständnisschwierigkeiten bei deutschen Usern nicht gänzlich ausgeschlossen sind. Außerdem schließt die Endung alle User aus, die nicht im Hotel einen Urlaub verbringen wollen, sondern beispielsweise auf Geschäftsreise gehen wollen.

www.hilton.company

Diese TLD wäre für User zielführend, die sich bereits für das Unternehmen entschieden haben, sich aber nicht sicher sind, bei welcher der Marken innerhalb der Hotelgruppe  sie ihren Aufenthalt verbringen möchten (das Waldorf-Astoria in Berlin gehört beispielsweise auch zur Hilton-Gruppe). Trotzdem würde sich die TLD besser für eine informative und repräsentative Unternehmensseite oder für das B2B-Geschäft eignen – den deutschen User spricht sie nicht wirklich an.

Fazit

Ob sich die neuen Top-Level-Domains lohnen, hängt also vom Einzelfall ab. Zusätze wie „.hotel“ in der TLD können sowohl bei bekannten als auch weniger bekannten Anbietern durchaus für mehr Orientierung auf Seiten der Nutzer sorgen. Werden dabei jedoch Begriffe verwendet, die der Nutzer nicht kennt („holiday“), verpufft der Effekt. Wer sich also für eine neue TLD entscheidet, sollte auf eindeutige Begriffe und die regionale Ausrichtung achten. Die Entscheidung zwischen „.de/berlin“ und „.berlin“ mag hingegen eine Geschmacksfrage sein.

Über den Autor
author-image Team clicks digital
Über den Autor

Hier schreibt Team clicks digital über Themen aus dem Online Marketing, spannende Events und Insights aus dem Agenturleben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert